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Das Gute im Bösen

Die Zeit heilt alle Wunden; aber die Narben bleiben

Wir alle kennen die Schicksalsschläge, die uns meist vollkommen unverhofft treffen und die die Macht und Energie haben, uns aus der Bahn zu werfen. So kann ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall, eine Diagnose für eine schlimme Krankheit, ein plötzlicher Unfall oder auch die Beendigung einer Ehe oder innigen Beziehung, egal ob unverhofft oder gar erwartet, uns den Boden unter den Füssen wegziehen, uns aus der Bahn werfen und unser Leben in eine vollkommen neue Richtung lenken.

Diese Schläge des Schicksals, ereilen uns meistens vollkommen überraschend, zumindest scheint uns das oftmals so vorzukommen. Dabei kündigen sich diese Schicksalsschläge sehr häufig tage-, wochen-, monatelang an. Ein Unfall kündigt sich wohl nicht an, auch die Folgen daraus treffen uns unvorbereitet. Auch wenn wir von unserem Arzt die Diagnose einer ernsthaften Erkrankung bekommen, trifft uns das meist unvorbereitet. Der Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt aus dem heiteren Himmel auf uns gefallen, möglicherweise genauso, wie wenn uns unser Partner, plötzlich eröffnet die Beziehung mit uns zu beenden. Doch STOP. Ganz so unverhofft kommt das doch gar nicht. Die Beziehung war schon lange nicht mehr im Lot, ich habe es bloß nicht gesehen. Der Herzinfarkt hat sich schon lange angekündigt mit Atemnot beim Treppensteigen. Auch der Schlaganfall war vielleicht schon wochenlang zu spüren durch Kopfschmerzen die hin und wieder unter Belastung auftraten. Selbst so mancher Unfall kündigt sich durch riskante Vorgehensweise, wie z. B. rasen doch eigentlich an. Doch selbst, wenn ich sehe oder spüre, dass sich da etwas ankündigt. Im Moment des Eintretens trifft es uns unvorbereitet.

Mein Vater durchlebte einen wochenlangen Sterbeprozess. Ich wusste, dass es sich nur noch um eine Frage der Zeit handelte und ich sah, wie der Zeitpunkt des Unvermeidlichen immer näher rückte. Als es dann so weit war, wurde ich, trotz wochenlanger Vorbereitung, vollkommen unvorbereitet getroffen. So sehen wir, dass unsere Beziehung immer problembelasteter wird, wir sehen, dass unser Partner nicht mehr glücklich ist an unserer Seite, aber wir registrieren es nicht und wollen es nicht wahrhaben, wenn es so weit ist. Wir alle wissen, wie schädlich Rauchen ist. Wir wissen das Übergewicht, Stress, mangelnde Bewegung, schlechte Ernährung ungesund ist. Wir reden über dieses Wissen während wir Chips essend und rauchend auf dem Sofa liegen. Die Diagnose Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Ehescheidung trifft uns unvorbereitet und mit voller Wucht.

„Mein Leben ist zu ENDE“. „Wie soll das danach noch funktionieren“. „Ich schaffe das nicht“. „Wie soll ich das schaffen“? „Wie soll das gehen“? „Ich werde nie wieder gesund“. „Ich werde dich nie vergessen“. „Ich kann nicht ohne dich sein“.

Ich glaube, jeder von uns kennt einen oder mehrere dieser Gedanken. Jeder von uns hatte schon einmal Liebeskummer, viele haben Trennungsschmerz erlebt, haben Abschied nehmen müssen von einem wichtigen Menschen, einige wurden mit lebensbedrohlichen Erkrankungen konfrontiert. Mache müssen mehr als einen dieser Schicksalsschläge zur gleichen Zeit erleben.

Das Gute im Bösen

Faktisch betrachtet sind sowohl das “Gute” als auch “das Böse” von Menschen gemachte Kategorien. Man könnte sie auch als “Erfindungen” des Menschen bezeichnen, die in der Natur – als reale Objekte oder ontologische Realitäten – nicht vorkommen. “Gut” oder “Böse” sind also “nur” Konzepte, die – je nach Ansicht und Weltbild – sehr unterschiedlich beschrieben werden. Konzepte sind sie deshalb, da sie immer eine Bewertung einer Beobachtung, aber nicht die Beobachtung selbst sind. Die Beobachtung selbst ist bewertungsfrei, z. B. ein Foul im Fußball. Es wird von Anhängern beider Vereine beobachtet. Während die Anhänger vom Verein des Gefoulten das Foul als brutal ansehen und eine rote Karte fordern. Sagen die Anhänger von Verein des Foulenden, da war doch nix, das ist niemals eine Karte. Die Bewertung der Beobachtung findet beim Beobachter statt, ist also vom Welt- und Leitbild des Beobachters abhängig.

Wenn man bedenkt, wie unterschiedlich Weltbilder sein können, ist es auch wenig verwunderlich, dass sich die Menschen bislang noch auf kein Konzept zu diesen Kategorien einigen konnten, welches “für alle” Gültigkeit hat.

Die Pillbox - mein neuer, treuer Begleiter

Auch ich habe solche Schicksalsschläge durchleben müssen, durchleben dürfen. Dieses „durchleben dürfen“ klingt sehr komisch. Was bitte ist den an einem solchen Schicksalsschlag so positiv, dass man von „erleben dürfen“ reden kann. Nun, nehmen wir einmal meine Herzerkrankung und schauen einmal kurz auf meine Vorbereitungszeit. Ich ging zum Arzt wegen eines, seit drei Monaten andauernden Durchfall. Mein Arzt schickte mich jedoch, zusätzlich zur „normalen“ Durchfalltherapie, zum Kardiologen. Dieser machte eine Ultraschalluntersuchung, stellte diese jedoch recht schnell wieder ein und eröffnete mir, dass ein Herzkatheter gelegt werden muss, um zu schauen, wie die Sache aussieht und weil ich wohl mehrere Stents brauche. Die Herzkatheter-Untersuchung sollte ca. 30 Minuten dauern, war jedoch schon nach 10 Minuten beendet. Man kann keine Stents mehr setzen, ich brauche eine Bypass-Op. Im Krankenhaus ereignete sich am Abend vor der Bypass-Op, es sollte morgen früh, um 7 Uhr losgehen, folgende Situation. Es war mittlerweile 22:00 Uhr. Ich sollte schlafen konnte jedoch nicht.

Zum einen war ich sehr aufgeregt und hatte auch etwas Angst und zum zweiten hatte ich in diesem Zimmer einen tief und fest schlafenden Zimmergenossen, der wohl viele Bohnen zu mittaggegessen hatte. Er versah die Raumluft unentwegt mit Duftmarkierungen, welche er unter donnerndem Getöse aus seinem Hintern ließ. (Nette Umschreibung seiner Aktivität, oder?). Nun ging also um 22:00 Uhr die Zimmertür auf, ein Arzt trat ein, welcher sich als Leiter der Herztransplantationsmedizin vorstellte. Folgender Wortlaut trug sich so vor: Der Arzt sagte: „Wir haben ein Problem. Sie brauchen 4 Bypässe, wir können aber keinen mehr legen. Wir schauen den Herzkatheterfilm immer wieder an, in der Hoffnung doch noch etwas zu finden, wo wir einen Bypass legen können, aber wir finden nichts“. Ich dachte tatsächlich für einen Moment „wie geil ist das denn, dieser Kelch geht an dir vorüber“, sagte aber: „Ok, und was machen wir jetzt, wenn ich die Bypässe doch brauche?“ Der Arzt eröffnete mir „Sie brauchen keine Bypässe, ihnen hilft nur noch ein neues Herz“. Uff…“Ok, haben sie den gerade eines dabei?“ fragte ich. Der Arzt eröffnete mir, wie schwer und langwierig es in Deutschland ist, ein Herz zu bekommen und eröffnete mir folgendes Angebot: „Was wir tun können, wir sägen (Originalzitat) sie auf und schauen mal, ob wir nicht doch etwas finden. Wenn das Herz offen vor einem liegt (auch Originalzitat), findet man ab-und-zu doch noch etwas, was man im Film nicht sehen konnte. Sie müssen aber damit rechnen, dass wir sie aufmachen, schauen und direkt wieder zumachen, weil nichts mehr geht. „

So, jetzt treffen sie doch mal fix eine Entscheidung und legen sich dann schlafen, sie haben morgen eine schwere OP, die wahrscheinlich nichts bringt. Ich wünsche eine gute Nacht. Da wurde mir gerade eben der Boden unter den Füssen weggerissen, obwohl sich meine Herzerkrankung fast mein ganzes Leben lang abgekündigt hat. Das jedoch, habe ich nie registriert. Mein Körper hat mich angeschrien, ich habe ihn schreien gehört, verstand jedoch nicht, was er mir sagen wollte. Wer kennt nicht die Beziehungsprobleme, die nach Jahren auftauchen. Partner/in die schreien „Die Liebe bleibt auf der Strecke“. Signale, die zeigen, da ist jemand nicht glücklich an deiner Seite. Wir sehen es, wir hören es, aber wir verstehen die Message nicht. Und diese Message, die wir hören aber nicht verstehen, lautet ganz einfach „MACHE ETWAS ANDERS“.

„Kümmere dich mehr um mich“ – „Lasse mich nicht so oft alleine“ – „Zeige mir deine Liebe“ – „Höre auf zu rauchen“ – „Iss das bitte nicht mehr“ – „Mach doch mal Feierabend“ – „Bleib doch mal ruhig“ – „Reg dich nicht immer so auf“ –„Nimm doch mal etwas ab“ – „Hör doch mal auf zu trinken“

Mache etwas anders. Eigentlich ganz einfach. Leider verstehen wir die Message nicht. Dann trifft es uns aus heiterem Himmel und dann zieht es uns den Boden unter den Füssen weg. NA TOLL. Was ein elendiger Kreislauf. Wie schön wäre es, die Message frühzeitig zu verstehen. Gelingt uns aber nicht, oder nur sehr selten.

Wenn wir schon nicht verhindern können, dass uns Schicksalsschläge unvorbereitet treffen, so können wir aber sehr wohl verhindern, ob, und wie stark sie uns den Boden unter den Füssen wegziehen. Wenn wir nicht verhindern können, dass wir fallen, so können wir aber sehr wohl verhindern, liegen zu bleiben. Mein Vater sagte dazu stets: „Mit jedem Tag, den du in der Sch… hockst, bist du näher an dem Tag, an dem es anfängt, wieder besser zu werden. Mein Lieblingszitat meines Schwiegervaters lautet: „Wenn das Dach über dir zusammenstürzt, kannst du die Sterne wieder funkeln sehen“.

Nach jedem Fall in ein tiefes Loch klettert der Kämpfer in mir wieder nach oben. Und wenn ich aus dem Loch rauskrieche, sieht die Welt, in die ich mich zurückkämpfe, ein wenig anders aus, als die Welt, aus der ich gefallen bin. Jeder Kampf bringt mich in eine neue Realität zurück. Nachdem meine Herzerkrankung mir den Boden unter den Füssen weggerissen hat und ich in ein tiefes Loch gefallen bin, indem alles so aussah, als ob ich nie wieder das unbeschwerte Leben eines Gesunden führen kann, sondern ich mit knapp 50 Jahren, das Herz eines 95-Jährigen habe, so sieht die Welt heute ganz anders aus.

 Mein Leben ist besser, schöner, entspannter, gesunder mit meinen 22 Prozent, als bevor ich fiel. Wenn ich aber weiß, egal was dir passiert, entscheidend wird sein, was du aus der Situation machst, dann habe ich 2 Möglichkeiten: Die Möglichkeit Nummer 1 betrachtet das Problem, analysiert das Problem, hinterfragt das Problem, bedauert das Problem, hadert mit dem Problem, identifiziert sich mit dem Problem „Ich würde ja, aber ES geht nicht mehr…“. Wer übrigens, ist den bitteschön „ES“? Das bringt mich zu Möglichkeit Nummer 2. Zur Lösungsorientierung. Möglichkeit Nummer 2 fragt, was eine Lösung sein könnte, sucht nach Möglichkeiten, traut sich Dinge anzufassen, auszusprechen, akzeptiert den Status Quo als Status Quo, als veränderbare Jetztsituation, sucht nach Veränderungspotenzialen. Das klingt recht schwer, zumal, wenn man 100 Leute fragt, „Bist du problemorientiert oder lösungsorientiert? Dann antworten min. 99 von diesen 100 mit „Ich bin lösungsorientiert“. Wobei in Wirklichkeit, noch keine 10 % lösungsorientiert denken. Die meisten, scheinen ihr Problem zu lieben und nie wieder hergeben zu wollen, … ES geht eben nicht…“. Alles, was man eigentlich tun muss, um die Seite zu wechseln, ist, die Frage zu stellen, „was ist das Gute im Bösen“? Was ist das Gute daran, dass mich mein Partner/in verlassen hat? Was ist gut daran, dass ich nur noch 22 Prozent Herzleistung habe?

Nun, Schicksalsschläge, ob angekündigt oder aus dem Himmel fallend, zwingen uns dazu, uns und unsere Situation neu zu betrachten. Wenn mich meine Partnerin verlässt, bedeutet das nicht, dass ich mein Leben als Eremit weiterleben werde, bis ich den sehnsüchtig erwarteten Tod endlich finde. So fühlt es sich zwar an, aber so wird es aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht kommen. „Ich werde nie wieder heiraten“, sagte fast jeder, zum 2. Mal verheiratete Mann. So wie man seine Trennungsphase nach einer Trennung bewusst erleben sollte, so sollte man auch seine Genesungsphase nach einer Erkrankung bewusst erleben und bewusst nach dem Guten darin suchen. Gott was bin ich froh, herzkrank zu sein. Wäre ich nicht herzkrank geworden, wäre ich ja kein Sportler, kein Vegane, kein Nichtraucher, würde ich kein Yoga machen, hätte ich ja mein altes Leben zurück. Übrigens, als ich mitten im alten Leben steckte, wollte ich kein anderes Leben haben, weil ich zufrieden war.

Wenn wir unser Leben komplettneu betrachten müssen, weil uns das Schicksal dazu zwingt, können wir alles was war, Verändern und zu einem besseren Neuen zusammenführen. Wir müssen nur wollen und wir sollten uns aber im Klaren darüber sein: „Die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben.“

Ich glaube, ich sollte einmal darüber schreiben wie gut meine Narben mittlerweile aussehen…

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